Neben weißes Sneakers besitze ich noch mindestens eine weitere klamottentechnische Sammelwut und Trageleidenschaft: Schals und Tücher – in allen Farben, Formen und Materialien. Wie viele ich eigentlich wirklich besitze, weiß ich selbst nicht. An meiner Garderobe hängt das typische Ikea-Teil, vollgestopft bis oben hin. Daneben besitze ich noch mehrere Kisten, in denen ich vor allem die längeren und dickeren Exemplare vor allem aus Wolle lagere. Außerdem verleihe und verschenke ich immer mal wieder einige Stücke, um mir eine Berechtigung zu schaffen, neue kaufen zu dürfen. Grob geschätzt dürften es bestimmt 100 Stück sein, vielleicht ein paar mehr oder weniger. Wen interessiert das schon?
Jahrelang waren sie mein Markenzeichen, ob minus 10 oder plus 30 Grad, ein Schal oder Tuch war immer um meinen Hals geknüpft. Vor einigen Wochen habe ich dann zum bisher letzten Mal, mit nur einer kurzen Urlaubsausnahme, weil es wirklich kalt und windig war, zu einem guten Stück aus meiner unüberschaubaren Sammlung gegriffen. Warum plötzlich?
Klar, waren die letzten Wochen mehr als warm genug, um ohne einen schützenden Halswärmer das Haus verlassen zu können, aber warum habe ich plötzlich mein Markenzeichen abgelegt? Temperaturen hatten mich doch noch nie interessiert und abends wird es schließlich immer irgendwann kühl. Pulli oder Strickjacke habe ich ja auch immer übergeworfen. Viel spannender als die Frage, warum meine Schals plötzlich ein trostloses Dasein führen, ist die doch die: Warum habe ich jahrelang zu jeder Jahres- und Tageszeit etwas Warmes und Weiches um meinen Hals gebunden?
Klamottentechnisch setzte ich gerne auf schlichte, einfarbige Shirts und Pullover – ich besitze tatsächlich nur wenige Kleiderstücke mit bunten Prints, verrückten Mustern oder unterschiedlichen Farben. Viele Teile habe ich nur deshalb hängen lassen, weil man zu ihnen keinen Schal kombinieren konnte. Gleichzeitig besitze ich kaum Ketten. Wozu auch, sieht man unter dem Schal ja ohnehin nicht. Ohne Schal fühlte ich mich nackt, schutzlos und irgendwie unvollständig. Und jetzt?
Ein Schal ist wie eine Bettdecke – nur für unterwegs. Wärmend, schützend und gemütlich. Pfeifen uns die Widrigkeiten des Lebens um die Ohren, können wir uns einfach die Bettdecke über den Kopf ziehen – oder den Schal – und darauf warten, dass sich der Sturm legt. Ein Halsschmuck gab mir immer die Möglichkeit, mich zu verkriechen. Immer und überall. Dann, wann ich es wollte. Dann, wenn ich es brauchte.
Irgendwann engten mich die Dinger ein. Sie beschränkten meine Kleiderwahl so sehr, dass ich nicht das tragen konnte, was ich wollte. Denn ein Schal kann jedes noch so langweilige Outfit aufwerten. Er kann einen aber auch dazu zwingen, den Rest so reduziert wie möglich zu gestalten: eintönig, musterlos, langweilig. Das wollte ich nicht mehr. Ich wollte Statementketten tragen, von denen man auch irgendetwas sehen konnte. Vor allem ich selbst beim Blick in den Spiegel. Irgendwann war das Gefühl gar nicht mehr gemütlich. Die Tücher schenkten keine Geborgenheit mehr, sondern schnürten mich förmlich zu, hielten mich fest im Würgegriff. Die Schals abzulegen war für mich ein wichtiger Schritt. Ein Schritt in Richtung meines eigenen Stils. Ein Schritt in Richtung Ich.
Und jetzt? Der Herbst wird kommen. Der Winter wird Kälte bringen. Was dann? Auf einen Schal verzichten? Mit Sicherheit nicht. Ab jetzt werde ich nur noch dann einen Schal tragen, wenn ich es will. Weil es windig ist, weil es kalt ist oder weil es einfach zum Outfit passt – aber nicht mehr obligatorisch. Er gehört nicht mehr zu mir als wäre er angewachsen. Er ist ein Kleidungsstück wie jedes andere auch. Nicht mehr aber auch nicht weniger als das.
Habt ihr auch ein besonderes Kleidungsstück, ohne das ihr das Haus nicht verlasst? Habt ihr ein fashionmäßiges Markenzeichen, das zu euch gehört wie sonst kein anderes? Ist Kleidung nur Mode, die vergänglich ist oder vielmehr Ausdruck von Persönlichkeit und Lebensgefühl? Wenn ja, welche Stücke drücken das am besten aus?
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende.
Ich teile meine Leidenschaft mit dir!!! Ich liebe Schals, habe nicht ganz so viele wie du, komme aber nahe dran und fühle mich im Sommer ganz nackt ohne sie!! Einfach ein tolles Highlight im Herbst und Winter!
Liebste Grüße, Nadja