Die Absätze klackern auf dem Asphalt, der Schnee dämpft die eiligen Schritte nur wenig. Es ist kalt, so kalt, dass man den Atem sieht und den Schal noch ein bisschen enger um den Hals schlingt. Da ist das große Tor aus Sandstein, das schon so viele hat kommen und gehen sehen. Heute wie damals. Sie verlangsamt ihren Schritt. Schwarze Limousinen fahren vorüber, eine nach der anderen. Sie bleibt stehen. Spürt die Kälte, die übermächtig erscheint. Jemand rempelt sie an. Der billige Kunstpelz hebt nicht einmal den Blick, kein kurzes „’tschuldigung“, das es auch nicht besser macht, sich aber eben so gehört. Oder vielleicht auch nicht. Hier scheint alles anderes.
Sie sieht sich um. Immer mehr Menschen eilen herbei, starren dabei auf ihre kleinen Hightech-Geräte, ohne die sie verloren wären, und nehmen um sich herum absolut nichts und niemanden wahr. Nicht einmal die Kälte. Je mehr Minuten verstreichen, desto höher werden die Absätze – als würden ein paar Zentimeter mehr Bedeutung verleihen. Langsam geht sie weiter. Schritt für Schritt, ohne zu wissen, wohin eigentlich. Immer weiter auf den Eingang zu. Das Tor zum Wunderland oder doch eher der Eingang in die Unterwelt? Manchmal liegt beides so nah bei einander, dass es sich leicht verwechseln lässt.
Drinnen ist es warm, eng und irgendwie stickig. Die Luft ist gefüllt mit Arroganz und Unsicherheit, mal siegt die eine, mal die andere. Im Gänsemarsch geht es durch die Halle, bis die nächste Schlange wartet. Das Gedränge wird enger, die Zeiger der Uhr nähern sich unaufhörlich der vollen Stunde. Die meisten sind unruhig und genervt. Anstehen, um sich die besten Plätze zu sichern. Einige fahren die Ellenbogen aus, andere ducken sich weg. Jeder ist sich selbst der nächste, während sie geduldig darauf wartet, dass es weitergeht. Viel zu oft hat sie schon in solchen Schlangen gestanden, den Kopf über das Verhalten anderer geschüttelt, und sich dabei immer wieder gefragt, was bringt das Drängeln, Rangeln und Schubsen. Die besten Plätze sind ohnehin vergeben.
Wie ein ganzes Heer kleiner Lemminge watschelt die Masse um die Kurve, ehe alle eilig ihre Plätze einnehmen. Manche verteilen sogar ihre Habseligkeiten um sich herum, damit sich ja kein anderer auf einen der begehrten Plätze in den vorderen Reihen, rechts und links der Mitte niederlassen kann. Die Fotografen stürzen sich auf jeden nächstbesten Prominenten oder wen sie dafür halten. Blitzlichtgewitter, Posen, die zu albernen Fratzen verkommen, ehe sich die Aufmerksamkeit von ihnen ab, zum nächsten hinwendet. Es sind nur Sekunden, die sie in hellem Glanz erstrahlen lassen, ehe auch die schneller vorüber sind als sie gekommen waren.
Manche bleiben absichtlich irgendwo stehen, lauern auf eine Gelegenheit, sich doch noch einen Platz ganz vorne zu sichern – auch wenn der ihnen eigentlich nicht zusteht. Schließlich muss jeder sehen, wo er bleibt. Einige beherrschen das Spiel der Dreistigkeit in Perfektion. Dieser Titel dürfte ihnen sicher sein. Sie geht langsam durch die Reihen, bis sie einen freien Platz, ganz hinten, gefunden hat. Und dann erlöscht das Licht. Handylichter blitzen auf, Kameras werden gezückt, die Musik setzt ein und schnell noch ein Selfie gepostet. Die Show beginnt, doch für viele ist sie bereits vorbei. Seide, Wolle, Leder, Leinen schweben vorüber. Einige folgen wie gebannt, während andere längst schon woanders sind. Eben noch hier, gleich schon dort.
Der Takt wird schneller, doch die meisten sind längst so sehr mit sich beschäftigt, dass sie es gar nicht wahrnehmen: On Stage, wie auf den Rängen. Es ist ein perfides Spiel, um Aufmerksamkeit und Relevanz, das sie spielen, jeder für sich und doch alle gemeinsam. Ein paar Aahhhs und Oohhhss, bevor applaudiert wird. Wofür weiß eigentlich kaum einer so genau. Dafür hätte er oder sie Kamera und Handy zur Seite legen müssen.
Und noch schneller als sich die Reihen gefüllt haben, leeren sie sich wieder. Zurückbleiben ein paar Eintrittskarten, achtlos auf den Boden geworfen und längst vergessen. Sie bleibt noch einen Augenblick sitzen, ehe sie vom Personal freundlich, aber bestimmt dazu aufgefordert wird, den Saal zu verlassen. Die nächste Runde steht an, the Show must go on.
Perfekt in Worte verpackt! Genauso fühlt es sich an und es wird leider jede Saison schlimmer. Noch schlimmer ist aber glaub ich wenn man das nicht merkt so wie der Kunstpelz!
Danke dir meine Liebe <3
Das sind alles die Gründe, warum mich die Fashion Week nicht reizt.
So ging es mir vorher oft und auch währenddessen habe ich mich oft gefragt, wo bin ich hier? Diese Selbstdarstellungsmanie hat mich teilweise verrückt und auch sehr nachdenklich gemacht. Denn das bin ich nicht und werde es wohl auch niemals sein. Trotzdem war es eine tolle Erfahrung und eine richtig schön Zeit. Man muss nur immer das Gute für sich herausziehen.
schnelllebig, fliegend, rasend, kurz und… du hast die besseren worte dafür gefunden, toll!
liebe grüße zum montag!
Danke dir wie immer für deinen lieben Worte!!
Viele Grüße an dich